Anläßlich der schönen Kleist-Ausstellung wurde ich wieder mit dem schon vergessenen Text von Brentano, Arnim und Kleist über Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Mönch am Meer“ von etwa 1809 konfrontiert, der nicht nur ein bemerkenswertes Stück Kunstreflexion ist und einige Gedanken moderner Rezeptionsforschung vorwegnimmt, sondern auch eine wunderbare Sprache zeigt. Als Notizzettel in meinem Büro rumfliegend, trage ich heute mal rückwirkend den in der Ausstellung zitierten Text hier ein, der im Oktober 1810 in den Berliner Abendblättern erschien. Der Originalbeitrag geht allerdings noch weiter und widmet sich einer Darstellung von Besucherreaktion vor Friedrichs Bild, die im Stil unfreiwillige Komik en masse zusammenführt:
"ZWEI KUNSTVERSTÄNDIGE
Erster: Jawohl, gräulich, es ist alles ganz grau. Wie der nur solche trockene Dinge malen will.
Zweiter: Sie wollen lieber sagen, wie er so nasse Dinge so trocken malen will.
Erster: Er wird es wohl so gut malen, als er kann."
Aber zurück zum Thema: Mich hat der Text so fasziniert, weil er in der Diskussion eines Bildes in verblüffender Kürze einen Weg zu weiterführenden Gedanken öffnet. Wären doch die Beschriftungen in unseren Museen von auch nur annähernd gleicher Qualität!
Aber hier zu dem entscheidenden Zitat, das ich erwähnte:
"Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer unter trübem Himmel auf eine unbegrenzte Wasserwüste hinauszuschauen. Dazu gehört gleichwohl, dass man dahin gegangen sei, dass man zurück muß, dass man hinüber möchte, dass man es nicht kann, dass man alles zum Leben vermisst und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Flut, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, in dem einsamen Geschrei der Vögel vernimmt. Dazu gehört ein Anspruch, den das Herz macht, und ein Abbruch, um mich so auszudrücken, den einem die Natur tut. Dies aber ist vor dem Bilde unmöglich, und das, was ich in dem Bilde selbst finden wollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde, nämlich einen Anspruch, den mein Herz an das Bild machte, und einen Abbruch, den mir das Bild tat; und so ward ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne; das aber, wohinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz.
Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein als diese Stellung in der Welt: der einzige Lebensfunke im weiten Reich des Todes, der einsame Mittelpunkt im einsamen Kreis. Das Bild liegt mit seinen zwei oder drei geheimnisvollen Gegenständen wie eine Apokalypse da, als ob es Youngs Nachtgedanken hätte, und da es in seiner Einförmigkeit und Uferlosigkeit nichts als den Rahmen zum Vordergrund hat, so ist es, wenn man es betrachtet, als wenn einem die Augenlider weggeschnitten wären."